«Ich schreibe keine Buchstaben, ich male sie.»


Thierry Furger
«Schriftenmaler»

 

Egal ob tag, throw up, piece oder masterpiece – Graffiti ist mehr als eine Aneinanderreihung von unleserlichen Buchstaben. Dies stellt Thierry Furger mit seiner neuen Serie Schriftenmaler dar. Im Alltag werden Buchstaben genutzt um eine rationalisierte Botschaft zu übermitteln, in der Graffititradition jedoch, repräsentieren sie Teil eines Gesamtkunstwerks. Das Medium wird zum Objekt der Darstellung und die Übermittlung des Codes zur Vermittlung.

Mit dem Titel Schriftenmaler nimmt Furger dabei Wortspiel auf, in dem er sich selbst bewusst als Schriftenmaler identifiziert und nicht als Schrifter «schreiber» (gemäss der engl. Bezeichnung «writers» für Personen die Graffiti ausüben). Vorsicht, der Titel ist nicht mit dem beinahe in Vergessenheit geratenen Berufsbild des Schriftenmalers zu verwechseln, welcher tatsächlich mithilfe verschiedenen Typografien Schriften malt. Bei Furgers Ansatz geht es um die künstlerische Auseinandersetzung, dem schöpferischen Akt und deshalb um das Übermitteln einer bestimmten Stimmung durch ein Werk, dabei sind die darin enthaltenen Buchstaben sekundär.

Die Graffititradition und dessen Verständnis und Decodieren beruht auf dem einzigartigen Wissen, Kriterien und Schemata, die diese Kunstbewegung selbst generiert hat. Dies meint, dass ein piece jedem Einzelnen «nur» so viel sagen kann, wie derjenige darüber weiss und sich damit beschäftigt. Die Farben, der Örtlichkeit, die Umgebung, die Ausführung und die ungefragte Anbringung machen es zu einem Gesamtkunstwerk, dass schlussendlich berührt und hinterfragt.

Die Botschaft von tags, pieces und Studio-Arbeiten sind deshalb nicht einfach zu lesen wie ein Text, der einen eindeutigen Inhalt ergibt. Als Kunstwerke benötigen sie ebenso eine bestimmte Betrachtungszeit, können möglicherweise dekonstruiert werden oder der Interpretation freien Spielraum lassen. Furger setzt sich in seiner kreativen Praxis, mit dem dynamisch-ewigen oder endlichen Prozess der Graffiti auseinander. Seine Bilder aber halten stets einen Augenblick der Vergänglichkeit fest.

In der tiefen Auseinandersetzung mit der Funktion des Wahrnehmen und dem Sehen von Buchstaben und Bildern, dienen Furger die ausserordentlichen konzeptuellen arbeiten von Rémy Zaugg als Inspirationsquelle. Es geht dabei nicht und eine ästhetische Auseinandersetzung, sondern vielmehr um eine kritische Reflexion rund um das Thema «Schriftbild»: «Was ist denn überhaupt ein Bild?» Inwiefern Bilder und Schriften zusammen oder unabhängig eine Gehalt darlegen, wann sie miteinander verschmelzen, wann sie miteinander oder gegeneinander arbeiten.

Tania Di Brita

 


« I paint letters and don’t write them»


Thierry Furger
«Schriftenmaler»

 

Whether tag, throw up, piece or masterpiece - graffiti is more than a juxtaposition of illegible letters. This is what Thierry Furger represents in his new series Schriftenmaler. In everyday life, letters are used to convey a rationalised message, but in the graffiti tradition, they represent part of a complete work of art. The medium becomes the object of representation and the transmission of the code becomes mediation. 

With the title Schriftenmaler, Furger takes up a play on words in which he consciously identifies himself as a typeface „painter" and not a "writer". Furger's approach is about artistic exploration, the creative act and therefore the transmission of a certain mood through a work, whereby the letters contained therein are secondary.

 The graffiti tradition and its understanding und decoding is based on the unique knowledge, criteria and schemes that this art movement itself has generated. This means that a graffiti piece can "only" say as much to an individual as that individual knows about it and engages with it. The colours, the site specificity, the environment, the execution and the un-commissioned application of it make it a complete work of art is ultimately touching and challenging.

 The message of tags, pieces and studio works are therefore not easy to read like a text that gives an unambiguous content. As works of art, they require a certain period of contemplation, can possibly be deconstructed or allow the interpretation free rein. In his creative practice, Furger deals with the dynamic-eternal or finite process of graffiti. His pictures, however, always capture a glimpse of transience.

In the deep examination of the function of perceiving and seeing letters and images, Furger uses the extraordinary conceptual works of Rémy Zaugg as a source of inspiration.


Tania Di Brita
2021